Georg

Freitag 

Zum Schweigen gebracht

Stationen seines Lebens
- 1953 Geburt in Würzburg
- Kindheit in Gerolzhofen / Unterfranken
- diverse Studiengänge im In- und Ausland
- Tätigkeiten u.a. als Pharmareferent
- Medizinstudium
- seit 1990 als Arzt ohne eine eigene Praxis tätig
- Arztvertretungen an zahlreichen Orten Süddeutschlands
- vielfältige, stets gewaltfreie politische Aktionen ---
- Anfang März 2004 Beginn der Untersuchungshaft wegen Verdachts auf Volksverhetzung
  (bis zuletzt unbewiesen)
- März 2004 Aufhebung seiner ärztlichen Zulassung
- 18. April 2004 Freitod in der Justizvollzugsanstalt Würzburg

 

Diese Seiten wurden dem Arzt Georg Freitag gewidmet
von seinem Bruder:

Alle Fotos, soweit nicht abweichend gekennzeichnet, stammen vom Autor.

 


Der Arzt Georg Freitag

 

Das ist der Fluch des unglücksel'gen Landes,
Wo Freiheit und Gesetz darniederliegt
Daß sich die Besten und die Edelsten
Verzehren müssen in fruchtlosem Harm,

Daß, die fürs Vaterland am reinsten glühn,
Gebrandmarkt werden als des Lands Verräter
Ludwig Uhland


Georg Freitags Leben

Georg Freitag wurde als erstes Kind seiner Eltern in Würzburg im Jahr 1953 geboren. Er wuchs auf in einem kleinen, abgelegenen Steigerwalddorf. Dort besuchte er auch die einklassige Dorfschule, die sein Vater führte. Ein Dorfschullehrers einer solchen "Zwergschule" war sein eigener Herr, die Lebensverhältnisse waren aber ebenso bescheiden wie die der anderen, meist bäuerlichen Dorfbewohner, noch nicht einmal fließend Wasser gab es. Um den Kindern - inzwischen waren noch ein Schwesterchen (später kam noch ein zweites) und ein Brüderchen hinzu gekommen - die Möglichkeit zu höherer Schulbildung zu geben, erfolgte Anfang der 60er Jahre der Umzug in die verkehrsgünstiger gelegene Kreisstadt.

Der Besuch eines Gymnasiums war anfangs nur in der Form möglich, dass das Kind wochentags bei seiner Großmutter im 40 km entfernten Würzburg wohnte, damals eine Selbstverständlichkeit. Und doch: die - notgedrungene - frühe Trennung von der Familie verkraftete er schlecht, und so kam er wieder nach Hause, musste aber weite Fahrten in die nächstgelegenen Gymnasien auf sich nehmen; wegen seiner Körpergröße (er überschritt bald die 1,90 m) waren die vielen Busfahrten, besonders bei Stehplätzen, für seinen Rücken eine Qual.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Erst zum Studium kam er wieder in seine Geburtstadt Würzburg zurück, verbrachte allerdings auch einige Studienzeiten im Ausland.

 


Georg Freitag war sehr familienverbunden. Natürlich kam er - wie es auf der ganzen Welt in größeren Familien ist - nicht immer und mit jedem seiner Geschwister gleich gut aus. Und doch konnten sich alle in der Familie stets an seiner Freigebigkeit erfreuen, mit Geschenken wurde man oft sogar überhäuft. Das war umso bemerkenswerter, als Georg - für den Alkohol und Nikotin tabu waren - für sich selbst äußerst genügsam lebte und jeden Luxus geradezu verachtete. Das nahm zuweilen Formen an, die für Außenstehende befremdlich wirken mussten. Wozu ein Hotel nehmen, wo man doch gut mit dem Schlafsack auch unter dem Vordach einer Weinbergshütte schlafen kann? Wozu teure Möbel kaufen, wenn man doch seine Habe auch wohlgeordnet  in "Gurkenschachteln" (sie stapelten sich bei ihm meterhoch) unterbringen kann? Wozu ein neues Auto, wenn die alte Schrottkarre noch gerade so fährt, auch wenn der Kühler ständig defekt ist und Halte alle paar Kilometer erzwingt? Jedenfalls war das weiß Gott kein Konsumverhalten, wie es gemeinhin von einem Arzt erwartet wird.

Gerne übernahm Georg Freitag die Patenschaft über seinen 1991 geborenen Neffen, der von daher auch den Vornamen seines Paten als weiteren Vornamen führt. Seinen eigenen Vater pflegte Georg Freitag vor seinem Tod im Jahr 1991 noch mit großer Hingebung. Die große Anerkennung, die er sich - damals gerade Arzt geworden - damit bei seinem Vater erwarb, bedeutete ihm viel. Bei den zahlreichen Umzügen seiner Geschwister - sie leben heute verteilt übers ganze Bundesgebiet - packte er oft tatkräftig mit an, ohne sich lang bitten zu lassen.

Neben alledem führte Georg Freitag natürlich auch das, was man als Privatleben bezeichnet. Eines seiner großen Hobbys war die Eisenbahn. Sein Würzburger Großvater nahm das Kind öfters mit zur Würzburger Eisenbahnbrücke, über die damals noch die mächtigen  Dampflokomotiven mit beängstigendem Getöse donnerten. Georg Freitag bekam später immer noch glänzende Augen, wenn er von diesem Erlebnis, das zugleich Schrecken und Faszination war, erzählte. Die Eisenbahn ließ ihn nicht mehr los. 

In der freien Natur 
war Georg Freitag
der glücklichste Mensch der Welt

Das große Hobby: Eisenbahn
Saaletalbahn bei Bad Kissingen, Mai 1993

 

 

 

 

 

 

Auch wanderte er gerne, mit Vorliebe die romantischen oder malerischen Landschaften hatten es ihm angetan. Von der Belle-Ile an der Bretagneküste schwärmte er lange. Mit Eisenbahn, zu Fuß und mit Rucksack konnte er tagelang in Deutschland und angrenzenden Gebieten unterwegs sein. Ganz besonders angetan hatten es ihm die lieblichen Flusslandschaften am am Rhein, am Neckar und am Maindreieck und Mainviereck. Davon zeugen Berge von Fotos, die er hinterlassen hat. Allein die Fotos von der "Saaletalbahn", die die Fränkische Saale zwischen Spessart und Rhön entlang zuckelt, gehen in die Hunderte.  

Und doch war Georg Freitag durchaus nicht weltabgewandt. Er tanzte gerne, und dabei lernte er auch seine Frau kennen, die er im Mai 1995 heiratete. Nach wenigen, glücklichen Jahren kam die Scheidung; polizeiliche Hausdurchsuchungen und Verhaftungen (näheres weiter hinten) sind ja auch gut geeignet, selbst gut funktionierende Ehen zu zermürben. Das Verhältnis zwischen beiden blieb aber gut, sogar ausgesprochen gut.

 

 

 

   

Seine Tätigkeit als Arzt 

Georg Freitag war nach mehreren Tätigkeiten, unter anderem als Pharmareferent, erst "Ende 30" Arzt geworden. Es gelang ihm nicht mehr, eine eigene Praxis zu übernehmen. Vielmehr lebte er von Praxisvertretungen, die ihn an viele Orte Süddeutschlands führten. Da sich seit einigen Jahren ein Trend abzeichnet, dass Ärzte Doppelpraxen bilden und sich im Urlaubsfall gegenseitig vertreten, wurden die Beschäftigungsmöglichkeiten allmählich weniger. Da aber Georg Freitag sich zugleich zunehmend einen guten Ruf erwarb, hatte er, angesichts seiner geringen Bedürfnisse, dennoch ein ausreichendes Auskommen - wenn auch weit von dem entfernt, was man so von einem Arzt erwartet. Aus alledem kann man gut schließen, dass er viele zufriedene Patienten hatte. Besonders seine chiropraktischen Spezialkenntnisse bescherten ihm viele Heilerfolge auch bei "hoffnungslosen Fällen". Jeder Kranke konnte sich seiner einfühlsamen Art erfreuen. 

 

Bei  seinen zahllosen Arztvertretungen wurde Georg Freitag oft auch mit in die Familie integriert.

So ergaben sich auch vielerorts gute Freundschaften - mit Mensch und auch mit Tier, wie dieses Bild zeigt. Dieser Hund folgte Georg Freitag wie ein Schatten, und das Abschiednehmen war eine sehr zu Herzen gehende Sache (der Hund überlebte, heißt es, das Verschwinden seines innigen Freunds auch nur kurze Zeit).

Aber auch in der ärztlichen Tätigkeit zeigte sich Georg Freitags Gerechtigkeitssinn: Leute, die nur auf der Suche nach "Gefälligkeitsgutachten" waren, die waren bei ihm an der falschen Adresse. Den "echten" Patienten wird er jedoch wohl nur in guter Erinnerung bleiben. Anders als manche Ärzte, die am liebsten die Kassenpatienten und besonders Problemfälle gerne abwimmeln, hatte Georg Freitag gerade für die kleinen Leute, die vom Leben oder Natur aus Benachteiligten, immer ein offenes Ohr. Es wird berichtet, dass die Psychiatriepatienten (er arbeitete als angehender Arzt eine Zeitlang in dem dafür in Unterfranken bekannten Städtchen Lohr am Main) ihm sehr nachtrauerten. Dies seit deshalb erwähnt, da das so ganz und gar nicht in das Klischee vom "bösen Rechten" passt, was die Würzburger Presse ihm zuletzt anheften wollte.

Doch nimmer vergess’ ich dich,
so fern ich wandere,
schöner Main
und deine Gestade,
die viel beglückten.

Hölderlin

Blick von einer der Lieblingsorte Georg Freitags, 
einer Anhöhe am Main bei Würzburg

Nur engste Verwandte und Bekannte wussten, 
dass sich hinter dem kämpferischen Georg Freitag
 auch ein unverbesserlicher Romantiker verbarg. 

Das obige Hölderlin-Gedicht - heute wohl schon als Indiz für gesicherten Rechtsextremismus geltend - und weitere ebensolche Lyrik fand sich auf dem bis zu seinem Tode von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten PC in Georg Freitags Nachlass.

 

 

 

Seine politischen Tätigkeiten

Anders als viele Politiker, die heute unsere Land regieren, waren Georg Freitags politische Aktivitäten nie zum Eigennutz, alles was er tat, tat er nicht für sich selbst, sondern im festen Glauben, es seinem Land und seinen Überzeugungen schuldig zu sein. 

Georg Freitag war einer der wenigen, die sich mit der unseligen Entwicklung des Zeitgeistes in Deutschland nicht abfinden wollten. Er war aufgewachsen in 1950er und 60er Jahren, wo es noch z.B. noch absolut normal war, die 1. Strophe des Deutschlandliedes zu singen. Georg Freitag zählte zu den Menschen, die sich darüber aufregen konnten, dass diese Strophe, die noch in den 1920 er Jahren von Friedrich Ebert (SPD) zur Nationalhymne erklärt wurde, heute schon als "braunes" Gedankengut gilt. Auch dass in Deutschland - einzigartig auf der Welt - die Politiker die Gedenktage für die eigenen Kriegsgefallenen heute meiden wie der Teufel das Weihwasser, das ließ Georg Freitag keine Ruhe. Wer es heute in Deutschland wagt, Kritik an solchen Zuständen zu äußern, der muss mit gesellschaftlicher, oft auch familiärer Ächtung, beruflichen Schwierigkeiten, mit Verfolgung bis hin zum offenen Terror rechnen. So sieht nur allzu oft die Realität des von Hass und Niedertracht bestimmten "Kampfs gegen rechts" aus, zu dem schon der damals amtierende deutsche Bundeskanzler aufgerufen hat - und zu dem in immer schärferer Form weiterhin aufgerufen wurde: "Diese Täter muss man mit allen Mitteln an die Wand stellen" (!) hieß es von einem süddeutschen Ministerpräsidenten bei einer "Aschermittwochsrede" schon im Februar 2005 in ähnlichem Zusammenhang.

Demgegenüber wirkte Georg Freitag fast ausschließlich als Einzelperson, und dank seiner ständig wechselnden Arztvertretungen wechselte sein Aufenthaltsort häufig. Somit war er für organisierte "nichtstaatliche" Verfolgung kaum greifbar.

  Und so konnte er, einigermaßen ungestört, zahllose Flugblattaktionen durchführen. In der Regel waren es selbstverfasste Flugblätter zu geschichtlichen Themen wie Vertreibung, Holocaust, Kriegsverbrechen beider Seiten.

 

Dabei hatte er keine Scheu vor großen Namen. Eines seiner bevorzugten Ziele waren Prominente, die sich als edelmütige gute Menschen und Vorbilder präsentieren, die aber in Wirklichkeit rabenschwarz dunkle Punkte in ihrer Vergangenheit haben. Eine gewisse Bekanntheit erreichte Georg Freitag vor allem mit seinem Ein-Mann-Infostand, den er in den 90er Jahren an vielen Orten im Frankenland aufstellte. Er verteilte dort die - nicht verbotene - Schrift "Eichmann von Kattowitz" des Autors Hennecke Kardel, die sich mit der Rolle eines sehr prominenten (2013 gestorbenen) Literaturkritikers bei den Vertreibungsgräueln in Oberschlesien befassten. Als er schließlich mit dem Infostand mutig vor der Frankfurter Buchmesse Stellung bezog, waren erste kurzzeitige Verhaftung und Hausdurchsuchung die Folge. Beides blieb juristisch folgenlos, denn es ließ sich beim besten Willen nichts Unwahres oder Unrechtmäßiges finden. 


Eine andere Aktion richtete sich gegen einen früheren Bundespräsidenten, der für seine salbungsvollen Reden ("FJS" nannte ihn deshalb den "ökumenischen Weihbischof") bekannt ist, aber der als Aufsichtsrat eines Chemieunternehmens Verantwortung für den "Agent orange"-Einsatz in Vietnam hatte - bis heute gibt es dort deswegen noch hunderttausende Chemiekrüppel. Georg Freitag machte das publik - und bezeichnender Weise wurde das ihm gerichtlich nie zur Last gelegt. Er fertigte zu diesem Thema drastisch wirkende Plakate an, hängte sie sich um und marschierte so, Handzettel verteilend, durch die Stuttgarter Innenstadt. Georg Freitag erzählte nachher, so oft wie damals sei ihm noch nie der "Vogel" gezeigt worden.
 

 

 

Noch mehr Feinde machte sich Georg Freitag mit der maßgeblich von ihm bewerkstelligten Plakatierungsaktion im bayerischen Kommunalwahlkampf 2003. Hunderte, wenn nicht Tausende von Plakaten mit dem provozierenden Motto "Goldzähne für Asylbewerber - Zahnlücken für Deutsche - Nicht mit uns!" wurden in Würzburg und Umland angebracht. Die Wirkung war messbar, denn - entgegen dem Landestrend - kam es bei der Kommunalwahl in Würzburg zu einem deutlichen Zugewinn des "rechten" Lagers.

Das machte ihn für die, die heute in der Politik das Sagen haben, immer unerträglicher. Besonders schlimm, dass Georg Freitag als hochintelligenter Fremdsprachen- und Geschichtskenner nicht dem gebetsmühlenhaft verbreiteten Zerrbild des "Rechten" entsprach. Wohl keiner seiner Häscher konnte ihm argumentativ das Wasser reichen (selbst im Gefängnis war die Angst vor der Kraft seiner Worte geradezu panisch, mehr davon später). Wo Argumente nicht helfen, müssen andere Mittel her. So fehlte es nicht an Versuchen, dem Arzt Georg Freitag das Leben schwer zu machen. Beispielsweise verschwand der Name "Georg Freitag" auf "unerklärliche" Weise aus der offiziellen bayerischen Ärztevertreterliste. Aber das änderte nichts daran, dass vorerst eine richtige rechtliche Handhabe fehlte, um gegen ihn mit rechtstaatlichen Mitteln vorzugehen.

     

Die Anklage

Da traf es sich, dass in Würzburg und Umgebung antisemitische, "volksverhetzende" Schmierereien auftauchten, die die Staatsanwaltschaft ihm zuschrieb. Dies war der Hauptvorwurf, unter dem Georg Freitag Anfang März 2004 erneut verhaftet wurde. Ärzte, das belegen Umfragen immer wieder, gehören zu den angesehensten Berufsgruppen. Wie kann es kommen, dass (in erster Linie) wegen Verdacht auf Schmierereien ein Arzt ins Gefängnis geworfen wird? Hat man doch sonst bei Gewaltverbrechern, Drogendealern, Steinewerfern oft den Eindruck, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre Ermessensspielräume bis zur Schmerzgrenze zugunsten der Beschuldigten ausschöpfen - beim Vorwurf der Volksverhetzung sieht es eben andersherum aus. Und dass sich die behauptete "Volksverhetzung" teilweise gegen Repräsentanten des Judentums richtet, erklärt den geradezu fanatischen Eifer der Strafverfolger. Wie sonst ließe sich erklären, dass bloß wegen des Verdachts auf  Schmierereien  Bekannte und Verwandte eines Beschuldigten wochenlang rund um die Uhr beschattet werden.

 

 

 

Dabei muss in Sachen Georg Freitag, bezüglich des Hauptvorwurfs der "volksverhetzenden Schmierereien" festgehalten werden:

- der Vorwurf blieb bis zuletzt unbewiesen
- es gab nie ein Geständnis
- es gab keinen einzigen direkten Zeugen, trotz wochenlanger,
   mühevoller kriminalpolizeilicher Observierung
- seine politischen Aktionen waren stets gewaltfrei

Die Anklageschrift brachte es auf mehrere hundert Seiten. Überall auf der Welt gibt es antisemitische oder Hakenkreuz-Schmierereien. Natürlich macht das Frankenland hier keine Ausnahme. "Der Freitag" (Originalton Anklageschrift, wo kränkender Weise standhaft auf die Anrede "Herr" verzichtet wurde) wurde für so ziemlich alles hergenommen, was im südlichen und westlichen Mainfranken an Schmierereien auftauchte. Aber war er wirklich der einzige, der in dieser Gegend dafür in Frage kam? Interessant ist jedenfalls, dass genau in diesem Landstrich eine religiöse Gruppe wirkte, der unter anderem auch antisemitische Haltungen vorgeworfen werden, die aber über schlagkräftige Organisation und Anwälte verfügt. Im Vergleich dazu war  Georg Freitag ein einfacheres - und gewiss auch willkommeneres Ziel für Verdächtigungen. Und wenn einer wie Georg Freitag dann auch noch durch die Gegend streift, macht auch das ihn schon verdächtig. In der Anklageschrift wurde das verächtlich als "Landstreicherei", die sein "Hobby" sei, bezeichnet; das wurde allen Ernstes auch noch zum Konstruieren einer "Fluchtgefahr" missbraucht, um die Untersuchungshaft durchzupeitschen. 

Nur, bei aller Fülle der akribisch dokumentierten "Schmierereien" fehlte das wichtigste, nämlich der zwingende Beweis der Täterschaft auch nur an einer einzigen Tat. Die in beeindruckender Zahl aufgelisteten "Zeugen" hätten dem Vernehmen nach entweder nichts Konkretes oder gar eher Entlastendes beigetragen: Mal wollten Zeugen (laut Anklageschrift!) an Tatorten eine Frau, mal einen gehbehinderten Mann bemerkt haben, was beides nicht auf Georg Freitag zutraf. Ein anderer aufgelisteter "Zeuge", das konnte nach dem Tod Georg Freitags von Angehörigen ermittelt werden, konnte nichts weiter bezeugen, als die Schmierereien entdeckt zu haben.

Beim "Kampf gegen rechts" ist in Deutschland in den letzten Jahren eine Pseudo-Wissenschaft entstanden, in der sog. "Rechtsextremismusforscher" mit kreuzzugsartiger Inbrunst versuchen, aus der Verwendung bestimmter Zahlen, Zahlenverknüpfungen und Runen auf "braunes" Gedankengut zu schließen. Auch solche "Erkenntnisse" fanden sich in der Anklageschrift; es war dort von angeblichen Schmierereien unter Verwendung der "Siegrune" die Rede. Wer freilich im Duden oder Wörterbuch nach diesem Begriff sucht, wird rein nichts finden, und selbst in der Sprachwissenschaft ist die "Siegrune" unbekannt als Bezeichnung für das, was in der Anklageschrift damit gemeint war (nämlich das zackige "S").

Kurzum, die Anklageschrift machte den Eindruck eines nach dem Motto "viel hilft viel"  zusammengeschusterten Machwerks. Braucht man denn  keine richtigen Beweise, weil man darauf vertrauen kann, dass kein Richter es wagen würde, einen "Rechten" freizusprechen?

 

Die Haft zum Tode

Anfang März 2004 wurde Georg Freitag verhaftet, vor den Augen seiner Mutter wie eine Schwerverbrecher mit Handschellen abgeführt und in Untersuchungshaft in die JVA Würzburg verbracht. Es ist angebracht, die Rechtslage und deren tatsächliche Ausübung gegenüberzustellen. 

Untersuchungshäftlinge gelten von Rechts wegen als unschuldig, denn wäre es anders, wozu bräuchte man dann noch eine Untersuchung? Daher sind sie im vergleich zu "echten", verurteilten Strafgefangenen eigentlich bevorzugt zu behandeln. Der Leser möge sich selbst ein Bild machen, wieweit dies bei  Georg Freitag der Fall war. Lassen wir den Richter zu Wort kommen, wie er es nach Georg Freitags Tod in der Zeitung "Boulevard Würzburg" der Öffentlichkeit präsentierte, er ließ dort verlauten, er habe die JVA angewiesen, "dafür zu sorgen, dass Freitag die Mitgefangenen nicht mit seinem politischen Gedankengut agitieren kann" (Zitat in dieser grammatikalisch falschen Form original übernommen). Was die Aussage des Richters bedeutet, wird auch noch im selben Zeitungsartikel erklärt: "Das heißt: Ausschluss von Gemeinschaftsveranstaltungen. Freitag hat Besuch empfangen und durfte seine Runden auf dem Hof der JVA drehen."

".. Isolation besteht fort .."
Aus einem der letzten Briefe von Georg Freitag, ein Schreiben an seinen Anwalt, Ende März 2004.

 

Georg Freitags Freizeitgestaltung war unkonventionell. Oftmals ließ er sich auf Flussschiffen als Gast mitnehmen, ging den Schiffsleuten etwas zur Hand, genoss aber vor allem die Romantik der Fahrt, wie hier, am sog. Klettergarten bei Karlstadt am Main. Von solchen Erinnerungen musste er in der Haft zehren.

Es standen Georg Freitag also ungefähr soviel Rechte zu wie den Stammheimer "RAF-Gefangenen" der 1970er Jahre. Damals schmierten RAF-Sympathisanten an unzählige Hauswände Parolen wie "Isolationshaft ist Mord", "Isofolter" und dergleichen. - Und die Behauptung, er durfte "seine Runden auf dem Hof der JVA drehen" ist zwar an sich richtig, es muss aber klargestellt werden: Er drehte die Runden alleine, ohne jede Begleitung! Welche Erniedrigung! Sich diese "kafkaeske" Situation  bloß vorzustellen, ist grausam. - Natürlich versuchte Georg Freitag zusammen mit seinem Anwalt, gegen diese - nicht nur ihm willkürlich erscheinenden - Maßnahmen vorzugehen. Die Erfolgsaussichten waren kaum größer, als wenn ein Jude im Dritten Reich gegen die Verbringung ins KZ geklagt hätte - was auch damals auf dem Papier gegen geltende Gesetze verstieß. Wen wundert's, dass auch Georg Freitag und sein Anwalt keinen Erfolg hatten.

Wer am Boden liegt, ist ein dankbares Opfer. Und so konnten es sich die Behörden nicht verkneifen, Georg Freitag inmitten seiner Untersuchungshaft - also noch ohne erfolgte Verurteilung -  die "Ruhensanordnung" für seine ärztliche Zulassung zuzusenden. Das war faktisch das Berufsverbot für seinen geliebten Arztberuf. In dem Schreiben wurde sogar extra durch Fettdruck hervorgehoben, er sei des Arztberufs "unwürdig". Aber steht nicht im Grundgesetz der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar"? Für "Rechte" wird anscheinend auch dieses Grundrecht über Bord geworfen.

  Auszug aus der "Ruhensanordnung" vom 17. März 2004

 

Auch die Würzburger Tagespresse trommelte eifrig mit. So wie man vor 70 Jahren ungestraft gegen die Juden hetzen konnte, so kann man jetzt ähnlich gefahrlos gegen "Rechte" mobil machen, wobei keine Beweise nötig sind. Wer wird es schon wagen, für einen "Rechten" Partei zu ergreifen? Und so genügen unbewiesene Behauptungen, bloße Anschuldigungen. In einem Zeitungsartikel wurde sogar die Höchststrafe für "Volksverhetzung" (5 Jahre) zur Sprache gebracht, so als ob das die Erwartung der Presseleute sei. Der Staatsanwalt teilte per Tagespresse  triumphierend  seine Absicht mit, Georg  Freitag bis zum geplanten Prozessbeginn (im Juli 2004) in Haft zu halten.

Die letzten Tage und Stunden

Am Donnerstag, dem 15. April, bekam Georg Freitag den letzten Besuch von seiner Mutter.  Am selben Tag kaufte er noch am Gefängniskiosk einen Tauchsieder. Eigenartig, dass er dort auch noch ein Dutzend Tafeln Schokolade kaufte, bei seinem geringen Konsum ein mehrwöchiger Vorrat - es blieben denn auch fast alle Tafeln übrig. Behördlicherseits waren ihm für die "Ruhensanordnung" der Approbation noch Gebühren in Rechnung gestellt worden; dafür füllte Georg Freitag sogar noch kurz vor seinem Tod den Überweisungsvordruck aus; ein bisschen so wie Sokrates, der bereitwillig seinem Henker den geforderten Lohn für die Zubereitung des Giftbechers zahlte.

 

 

Sein Todestag war Sonntag, der 18.April 2004. Es ist ein grauer Frühlingstag. Es ist zwar mild, aber die Sonne kommt kaum einmal durch. Georg Freitag wird zuletzt bei der mittäglichen Essensausgabe, kurz vor 12 Uhr  lebend gesehen. Am Spätnachmittag, ca. 17 Uhr  öffnet ein Wärter die Zellentür, da seiner Meinung nach eine geöffnete Schranktür absichtlich die Sicht ins  Zelleninnere verhindert. Er findet Georg Freitag inmitten einer großen Blutlache leblos vor. Polizisten berichten später auch von erfolglosen Wiederbelebungsmaßnahmen, was allerdings bei einer bereits ausgebluteten Person kaum vorstellbar ist. Ärzte diagnostizieren Verbluten infolge Öffnung der Pulsadern. Es wird glaubhaft versichert, dass sein Gesichtsausdruck gelöst war. Abschiedsbrief fand sich keiner - das will aber nichts heißen, denn eine nachweislich zwei Wochen zuvor an Georg Freitag abgeschickte Postkarte blieb auch trotz Nachfrage "verschwunden". Um ca. 20 Uhr fuhr ein Polizeiwagen am Haus seiner ahnungslosen Mutter vor. Sie schwankte erst zwischen der Furcht vor Hausdurchsuchung und der Hoffnung, dass ihr Sohn zurückgebracht wird, so wie eben eine Mutter fühlt. Stattdessen hatten die Beamten aber die unliebsame Aufgabe, die Todesnachricht zu überbringen. 

Die Gründe für Georg Freitags Freitod ...

.. sind mangels vorliegenden Abschiedsbriefs  letztlich nicht bekannt. Es gehört aber nicht viel Fantasie dazu, sich seine Situation vorzustellen. Die spartanischen Lebensumstände in der JVA - es wird tatsächlich noch aus dem Blechnapf gegessen, "bayerische Verhältnisse" eben! - dürften ihn, der ja auch sonst ein fast mönchisch einfaches Leben führte, kaum belastet haben. Viel schlimmer war sicherlich die Aussicht auf ein Verfahren, das unter dem sogenannten "Druck der Öffentlichkeit" stehen würde und daher - selbst in Anbetracht der dürftigen Beweislage - wohl nie mit einem Freispruch enden würde. Wahrscheinlicher war da schon eine mehrjährige Haft, für einen freiheitsliebenden Menschen wie Georg Freitag, der sich am wohlsten in freier Natur fühlte, eine unerträgliche Vorstellung.

Auch der gewählte Todestermin, der 18. April 2004,  ist kein besonderer Jahrestag. Interessant an Georg Freitags Todesstunde ist allenfalls, dass nicht einmal 24 Stunden zuvor (am Abend des 17. April 2004) der "Hamas"-Führer Rantisi in Israel von staatlichen Sicherheitskräften ermordet wurde. Rantisi (er war bemerkenswerter Weise wie Georg Freitag Arzt, nämlich Kinderarzt!) war der Nachfolger des - bekannteren - gelähmten Scheichs Jasim, der wenige Wochen zuvor ebenfalls auf die gleiche Weise vom Leben zum Tod befördert wurde.

 

Unglaubliches Nachspiel

In einer Todesanzeige, die in einer Würzburger Tageszeitung veröffentlicht wurde, wurde von Angehörigen nicht verschwiegen, dass Georg Freitag durch eigene Hand zu Tode gekommen war. Auch die Umstände des Todes blieben nicht unerwähnt, nämlich die Inhaftierung "wegen politischer Aktivitäten" und die "verschärften Bedingungen" der Haft. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Kurz danach brachte ein Würzburger Boulevardblatt einen reißerischen Artikel "Tod in der JVA". Natürlich kamen dort nur der Richter (der die Haftverschärfung angeordnet hatte) und der Staatsanwalt (der sich wohl verärgert um die Früchte seiner Ermittlungsarbeit gebracht sah) zu Wort und es wurde die fragliche Todesanzeige nochmals abgebildet, jedoch Satz für Satz "zerlegt". Für den oberflächlichen Leser (also die typische "Boulevard"-Leserschaft) musste das wie eine "Abrechnung" mit dem Verstorbenen und dessen Angehörigen erscheinen. In Wirklichkeit mussten Richter und Staatsanwalt aber praktisch doch einräumen, dass in der Todesanzeige nur unwiderlegbare Tatsachen geschildert wurden. Wäre es anders gewesen, darf man sicher sein, dass die ausgebildeten Juristen den Rechtsweg statt des "Boulevards" beschritten hätten. Vom alten Grundsatz "de mortuis nil nisi bene" (über die Toten nur Gutes) war jedenfalls nichts zu spüren, moralische Bedenken haben ja wohl beim "ehrenvollen Kampf gegen Rechts" nichts verloren.
Im Nachhinein kann man dem "Boulevard-Artikel" aber auch Gutes abgewinnen: Richter und Staatsanwalt haben ihr Handeln mit ihren Namen für spätere Zeiten dokumentiert. Wie sicher müssen sich Leute fühlen, wenn Sie sich mit ihren höchst bedenklichen Handlungsweisen mit vollen Namen "outen"? Nun ja, wieviel Verlass auf "sicher" geglaubte Machtverhältnisse ist, hat die jüngste deutsche Geschichte hinlänglich gezeigt.
Dieser unsägliche Zeitungsartikel, der wohl eine Art posthume Abstraf-Aktion sein sollte, war aber auch ein "schöner" Vorgeschmack auf das, was Georg Freitag erwartet hätte, wenn es tatsächlich zum Prozess gekommen wäre. Aber wenigstens hat Georg Freitag erreicht, dass der Triumph, eine Art Schauprozess gegen ihn zu führen, seinen  Verfolgern versagt blieb. 

 

Deutschland 2004

So endet einer, der sein Land liebt

 

Der letzte Gang

Immerhin waren denn Georg Freitag noch eine ungestörte Trauerfeier und ein friedliches Begräbnis vergönnt. Die Trauergemeinde war groß, aber dank des kleinstädtischen Milieus ließen sich alle Besucher, ausnahmslos, als Patienten, Verwandte, Bekannte und Freunde der Familie identifizieren. Störungen durch unerwünschte Besucher oder teleobjektivtragende Zaungäste gab es nicht - das wäre diesen  womöglich auch nicht gut bekommen.

 

 

 

Warum hoffen sollt' ich nicht,
 dass ich einst dem Leib entzogen,
wieder fliegen werd' im Licht!
 (Rückert, "Traumflug")

 

Abendsonne mit zwei Nebensonnen  am 21. April 2004, dem Tag der Trauerfeier für Georg Freitag
- ein seltenes Naturschauspiel über den Weiten der mainfränkischen Lande -

 

Was bleibt, ist die Erinnerung

Von Jean Paul stammt der schöne Satz: "Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können". An Georg Freitag bleiben denn auch jede Menge gute Erinnerungen, und die kann uns keiner nehmen. Da ist romantische Wanderer, der über die Höhen am Main, Neckar und Rhein streifte. Und da ist der Landarzt, der Hausbesuche per Fahrrad bei Nacht und Nebel macht. Da ist der Arzt, der einem alten gelähmten Patienten noch den langgehegten Reisewunsch erfüllt und ihn mangels Aufzügen "huckepack" durch Bahnhofsunterführungen trägt, ungeachtet zahlloser verständnisloser oder belustigter Blicke von Mitreisenden. Und da ist auch der Arzt, dem eine alte sudetendeutsche Patientin - nur ihm - Ihre unvorstellbar entsetzlichen Erlebnisse aus der Vertreibungszeit anvertraut (er berichtete andeutungsweise davon, soweit das die ärztliche Schweigepflicht zuließ). Und da ist vor allem der unerschütterliche Kämpfer, der alles tut, um sein Land geschichtlich ins rechte Licht zu rücken, und der sich von Heuchlern, "Gutmenschen" und Nationalmasochisten nicht den Mund verbieten lässt - und der zuletzt dafür sogar zum Blutzeugen wird.

Mit Georg Freitag ist wieder ein Stück Hoffnung für unser Land zerstört worden. Vielleicht muss Deutschland erst einmal wieder ganz am Boden liegen, damit man sich daran erinnert, dass da einmal ein Rufer in der Wüste war, auf den man hätte hören sollen, als noch Zeit war. Aber davon ist Deutschland heute weit entfernt, so weit, dass man sich fragen muss ob dieses Land ein solches Opfer überhaupt verdient hat. Georg Freitags unermüdliche Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit hat viele erreicht - mehr als seinen Widersachern lieb sein kann, aber auch der beste Einzelkämpfer kann den Kampf gegen eine Übermacht von Lügen, Heuchelei, Verblendung, Mitläufertum und als "demokratisch" verbrämtem Denunziantentum nicht gewinnen.

Sein Tod hat nur wenige aufgerüttelt, und deren Stimme ist in dem heute in Deutschland zusehends herrschenden Klima der Meinungsunterdrückung kaum zu hören. Denn es gibt immer mehr Themen, zu denen heute nur noch unter vorgehaltener Hand geredet wird - Georg Freitag und sein ganzes politisches Wirken gehören dazu. 

Georg Freitag lebte noch in der Zeit vor der "Merkel-Kanzlerschaft", als Bahnsteig-SchubserInnen, KopftreterInnen, Messerstechen auf kleine Kinder, Gruppenvergewaltigungen, Bespucken und Verprügeln von Rettungsdiensten und dergleichen im Gegensatz zu heute (2024) noch praktisch unbekannt waren. Es ist vielleicht ein kleiner Trost, dass er diese "Bereicherungen" nicht mehr erleben musste. Gut, dass Georg Freitag es nicht mehr erlebt hat, dass ausgerechnet seine beiden Lieblingsfeinde noch am 8. Mai 2005 im Fernsehen die Deutschen darüber belehrten, den von vor 60 Jahren verlorenen Krieg als "Befreiung" anzusehen. Diese beiden, die trotz verbrecherischer oder zweifelhafter Vergangenheit als "gute Deutsche" und "Vorbilder" gelten, eilten damals von Preisverleihung zu Preisverleihung: erst Kaiser-Otto-Preis für den einen, Goethepreis und gar Bundesverdienstkreuz mit Stern für den anderen. Wenn der jämmerliche Niedergang dieser Auszeichnungen weiter geht, werden sie einmal in den Geschichtsbüchern so viel zählen wie die von Nero errungenen "Preise".

Georg Freitag hingegen, der wirklich viel für sein Land getan hat, konnte auf Ruhm solcher Art verzichten, ganz nach Goethe: "Die Tat ist alles, nichts der Ruhm". Und wirklich, etwas anders zählt mehr: Er blieb bis zuletzt sich selbst und seinen Überzeugungen treu. Und so konnte Georg Freitag, den man nie in Frieden ließ, vielleicht doch im Frieden mit sich selbst die Augen für immer schließen.